ClavierTage 2017: Beethoven
Video:
Duoabend Christian Poltera, Violoncello & Gerrit Zitterbart, Claviere
Göttinger Tageblatt April 2017
Beethovensche
Pranke
Eröffnung der Claviertage: Konzert von Gerrit Zitterbart und den Lüneburger Symphonikern
Göttingen. Fünf Klavierkonzerte hat Ludwig van Beethoven (1770-1827) geschrieben. Die ersten drei dieser technisch anspruchsvollen Werke spielte Pianist Gerrit Zitterbart mit den Lüneburger Symphonikern am Mittwochabend vor 150 Zuhörern in der Aula der Göttinger Universität.
Wunderschön und fein aufeinander abgestimmt muszierten Zitterbart und das Orchester unter Leitung von Thomas Dorsch zum Auftakt der Claviertage Göttingen. Der Pianist, der souverän die sperrigen Partituren des Komponisten meisterte, hatte eigens den historischen Nachbau eines Flügels der Beethoven-Zeit nach Göttingen geholt. Robert Brown hat das Instrument nach dem Vorbild eines Klaviers gebaut, das Jakob Bertsche 1815 in Wien geschaffen hatte. Den perfekten Rahmen für die drei Werke bot die Aula, die aus dem Jahr 1837 stammt, mit ihrer Akustik.
Beethovens Konzert für Klavier und Orchester Nr. 2 B-Dur op. 19 (1795/1801) erklang am Mittwoch als zweites, ist aber das älteste der drei Werke. Es steht noch ganz in der Tradition der Wiener Klassik. Unverkennbar sind der haydnsche Esprit und die mozartsche Empfindsamkeit. Auf ein lyrisches Allegro con brio folgt ein poetisch-sanftes Adagio, bei dem die Klarinetten für eine besondere Klangfarbe sorgen. Zum Wegträumen schön spielten Zitterbart und das Orchester. Mit einem forschen Rondo endete dieses Konzert.
Der beethovensche Wille zur Gestaltung ist im Konzert Nr. 1 C-Dur op. 15 (1795/1800) zu spüren. Pauken und Trompeten setzen in dem größer und sinfonischer angelegten Werk heroisch-dramatische Akzente. Schroff und abrupt ist der Stil des Komponisten, die „beethovensche Pranke“, schon zu hören. Mit einem für den Pianisten anspruchsvollen Allegro con brio geht es los. Weihevoll gestaltet sich das Largo. Rhythmischen Drive entwickelt das Rondo, das wie swingender Jazz klingt.
Die ganze Pause über verbrachte Solist Zitterbart damit, sein Instrument nachzustimmen. Der 85 000 Euro teure Flügel hatte empfindlich auf die während des Konzerts gestiegene Raumtemperatur und Luftfeuchtigkeit reagiert.
Mit dem Konzert Nummer 3 c-Moll op. 37 (1803/04) ging es weiter. Beethovens einziges in Moll komponiertes Klavierkonzert entstand während seiner Sturm- und Drang-Zeit. Der Komponist hatte nun seinen Stil gefunden. Das unglaublich fein gearbeitete Werk klingt runder. Beim mittleren Satz, dem herrlich dahinströmenden Largo, springt Beethoven überraschend zu einer weitentfernten Tonart. Mit einem beschwingten Rondo ging das Konzert zu Ende. Das Publikum applaudierte begeistert.
Michael Caspar
Göttinger Tageblatt Mai 2017
Duo-Abend Christian Poltera & Gerrit Zitterbart
Kräftig und zugleich schwerelos-schwebend
Auf La Mara, dem Millionen Euro teuren Violoncello von Antonio Stradivari aus dem Jahr 1711, hat Cellist Christian Poltéra am Sonntagabend im Göttinger Clavier-Salon gespielt. Gemeinsam mit Gerrit Zitterbart brachte er unter anderem zwei Sonaten für Klavier und Cello von Ludwig van Beethoven zu Gehör.
Von unheimlicher Klarheit ist der Klang des Stradivari-Cellos, kräftig und zugleich schwerelos-schwebend. La Mara ist eines von drei weltberühmten Celli des Instrumentenbauers aus dem italienischen Cremona. Viele Cellisten wagen es nicht einmal, das kostbare Kultinstrument zu berühren. „Ich darf es seit einigen Jahren spielen“, sagte Polterá nach dem Konzert im Backstagebereich des Clavier-Salons, einem jahrhundertealten Gewölbekeller.
„La Mara gehört einer Privatperson“, deutete der Schweizer Musiker an. Ihm sei das Instrument als Leihgabe anvertraut worden. Das Cello müsse gespielt werden, um nicht Schaden zu nehmen. Keinen Moment dürfe er es aus den Augen lassen. Schon einmal sei es fast zerstört worden – 1963 bei einem Fährunglück in Südamerika. Sorgsam sei es damals wieder restauriert worden. Den schlimmen Wasserschaden sieht man dem Instrument, das aus rötlich-hellem, schön gemaserten Holz gearbeitet ist, nicht mehr an.
Das Stradivari-Cello stand in der Sonate für Klavier und Violoncello g-Moll op. 5,2 (1796), mit der das Konzert begann, noch im Schatten des dominanten Flügels, ebenfalls eines historischen Instruments – nach Anton Walter von 1795. Die Sonate gehört zum frühen, klassisch geprägten Werk Beethovens. Das mal dramatische, mal grüblerisch-besinnliche Adagio führte langsam zum ruppig, beschwingten Allegro hin, das Zitterbart virtuos zu spielen wusste. Die Sonate schloss mit einem ungestümen Rondo.
Zur mittleren Schaffensperiode des Komponisten zählt die Sonate A-Dur op. 69 (1807/08), mit der das Konzert endete. In diesem Werk stehen beide Instrumente gleichberechtigt nebeneinander. Die Stradivari war in ihrer ganzen klanglichen Bandbreite zu genießen. Zitterbart begleitete sie auf einem Nachbau von Michael Walker und Anonymus von 1825. Auf ein melancholisches Allegro folgte das Allegro und ein ausgedehntes Adagio.
Die Sonaten rahmten Beethovens Variationen zu schönen Melodien aus Wolfgang Amadeus Mozarts Oper „Zauberflöte“ ein. Zum einen gab es Zwölf Variationen über „Ein Mädchen oder Weibchen“, zum anderen Sieben Variationen über „Bei Männern, welche Liebe fühlen“ zu hören. Sehr klassisch sind diese Mozart-Bearbeitungen und klingen doch unverkennbar nach Beethoven. Zum Teil sind die einzelnen Variationen keine 20 Takte lang. Fließend gehen sie ineinander über. Das Publikum im ausverkauften Salon applaudierte lange begeistert.
Michael Caspar