Presse 2013
Göttinger Tageblatt Januar 2013
Charmant und witzig: Zitterbart und F. Loh
Man muss nicht immer den Sinn des Lebens suchen. Bisweilen ist es viel unterhaltender, sich mit Unsinn zu befassen, besonders dann, wenn es dabei um so unterhaltsame Musik handelt, wie sie Pianist Gerrit Zitterbart am vorletzten Abend des Jahres im ausverkauften Claviersalon darbot.
Unsinn muss ja nicht Geistlosigkeit heißen. Im Gegenteil: Die Variationszyklen über populäre Lieder im Stil verschiedener Meister von Cornelius Gurlitt, Siegfried Ochs und Karl Hermann Pillney sind witzige Lektionen in Musikgeschichte. Zitterbart präsentiert sie mit einer nicht minder witzigen, charmanten Moderation, lädt lautstark Giuseppe Verdi und Cecilia Bartoli zu Gast (die beide dann leider doch nicht kommen) und würzt den launigen Abend mit einer Prise Bach-Gounod, Thekla Badarzewkas „Gebet einer Jungfrau“ und einer exquisiten Interpretation des meisterhaften Walzers von F. Loh, den nur Ignoranten einfach „Flohwalzer“ nennen. Die schönste Zugabe ist eine fiktive Variation von John Cage über „Was machst du mit dem Knie, lieber Hans“: 33 Sekunden ohne jeden Laut. So leise spielt kaum jemand. Wunderbar.
Unsinn muss ja nicht Geistlosigkeit heißen. Im Gegenteil: Die Variationszyklen über populäre Lieder im Stil verschiedener Meister von Cornelius Gurlitt, Siegfried Ochs und Karl Hermann Pillney sind witzige Lektionen in Musikgeschichte. Zitterbart präsentiert sie mit einer nicht minder witzigen, charmanten Moderation, lädt lautstark Giuseppe Verdi und Cecilia Bartoli zu Gast (die beide dann leider doch nicht kommen) und würzt den launigen Abend mit einer Prise Bach-Gounod, Thekla Badarzewkas „Gebet einer Jungfrau“ und einer exquisiten Interpretation des meisterhaften Walzers von F. Loh, den nur Ignoranten einfach „Flohwalzer“ nennen. Die schönste Zugabe ist eine fiktive Variation von John Cage über „Was machst du mit dem Knie, lieber Hans“: 33 Sekunden ohne jeden Laut. So leise spielt kaum jemand. Wunderbar.
Michael Schäfer
Göttinger Tageblatt Februar 2013
Intime Barockmusik
Eher untypisch für den Göttinger Clavier-Salon gestaltet sich das Konzertprogramm am Freitagabend. Die aus Israel stammenden Musiker Anat Edri und Alon Sariel verzichten auf Tasteninstrumente und begeisterten ihr kleines Publikum stattdessen mit Gesang und Erzlautenspiel. Sie legen den Schwerpunkt auf die englische und italienische Barockmusik, die, wie Lautenist Sariel meint, durch die geringe Besetzung eine besonders intime Atmosphäre erzeuge. Clavier-Salon-Betreiber Gerrit Zitterbart verspricht einen Abend voll „weit entfernter und doch vertrauter Musik“.
Die erste Hälfte des Konzerts steht im Zeichen der Werke von Dowland und Purcell, die nicht durch Effekte, sondern ihre Leichtigkeit bestechen. Leise erklingen die Töne aus Sariels Laute, der klare und glanzvolle Sopran Edris erstrahlt über dem zarten Fundament. Sie überzeugt an diesem Abend nicht nur durch ihren großartigen und gefühlvollen Gesang, sondern auch durch Mimik, mit der sie jedem gesungenen Wort und jeder Emotion noch einmal zusätzliche Tiefe verleiht. Sariel spielt zusätzlich einige Lauten-Soli, die häufiges Umstimmen seines Instrumentes erfordern. Charmant überbrückt der Musiker diese Phasen mit kleinen Scherzen und Geschichten über das Lautenspiel und erheitert damit die Gäste.
Die zweite Konzerthälfte ist den Werken italienischer Musiker gewidmet, wie der Toccata III von Michelangelo Galilei, Bruder des berühmten Astronomen, oder Kompositionen von Giulio Caccini. Dessen Kompositionsweise sei, im Verhältnis zu der anderer zeitgenössischer Musiker, „ein bisschen wie Popmusik und es geht immer um die Liebe“, erklärt Sariel den Gästen.
Das Publikum ist von den Darbietungen des Abends begeistert und belohnt das Duo mit ausdauerndem Applaus. Mit Monteverdis „Si dolce è’l tormento“ als Zugabe danken Edris und Sariel ihren Zuhörern und verlieren auch in den letzten Tönen nicht an ihrer Ausstrahlung.
Tina Evers
Göttinger Tageblatt Mai 2013
Klare Konturen
Pianistin Julia Rinderle konzertiert im Clavier-Salon in Göttingen
Seit zehn Jahren schon ist die heute 23-jährige Julia Rinderle mit dem Konzertpodium vertraut. Die aus Memmingen stammende Pianistin, Studentin an der Musikhochschule Hannover bei Roland Krüger, stellte sich am Dienstag mit einem anspruchsvollen Programm im Clavier-Salon vor.
Gleich der Einstieg war überraschend, denn meist beginnen Konzerte von Musikstudenten mit einem barocken Werk, um dann über Klassik und Romantik zur Gegenwart zu führen. Rinderle begann aber mit der Moderne. In den 1969 komponierten drei Nachtstücken von Peter Ruzicka erwies sie sich als virtuose, sensible Klangfarbengestalterin, die mit wenigen Strichen klare Konturen zeichnen kann und einen wachen Sinn für spannungsreichen musikalischen Aufbau besitzt.
Sehr transparent und durchdacht spielte sie Bachs Fantasie und Fuge a-Moll, um anschließend mit der h-Moll-Sonate von Muzio Clementi eine Rarität des Repertoires zu präsentieren. Clementi, heute eher reduziert auf die Funktion des Lieferanten braver Sonatinen für kleine Klavierschüler, verrät in dieser Sonate eine kompositorische Kraft und Kühnheit, die nicht weit entfernt von Beethoven ist.
Diese Sonate stellte Rinderle mit energischem, technisch wie musikalisch präzisem Zugriff überzeugend vor und arbeitete dabei starke Kontrastwirkungen heraus. Dass ihr auch spätromantisches Virtuosentum vertraut ist, bewies sich an der in wirbelndem Tempo vorgetragenen Etude-Tableau c-Moll op. 39 Nr. 1 von Rachmaninow.
Ein ganzes Bündel von Klavierstücken Claude Debussys bildete die zweite Hälfte des Abends: die sechs kurz nach 1900 entstandenen „Images“, in denen der Komponist seine ausgetüftelten Farbkünste meisterhaft ausbreitet. Hier hätte man sich stellenweise noch eine etwas feinere Anschlagsdifferenzierung im Pianobereich wünschen können – möglicherweise war dies aber auch den Eigenarten des historischen Instruments, eines 1898 gebauten Steinweg-Flügels, geschuldet, der recht verschwenderisch mit seiner Klangfülle umgeht. Die kleine Zuhörerschar dankte mit langanhaltenden Beifall für einen anregenden, von der Pianistin zudem auch klug moderierten Abend.
Michael Schäfer
Göttinger Tageblatt Juni 2013
Reiz überraschender Akzente
Eine im Konzertleben etwas unterbelichtete Periode der Musikgeschichte ist die Zeit nach dem Ende des Barockzeitalters, vor Beethoven und jenseits von Mozart. Dazu gehören die Komponisten, die die japanische Pianistin Takako Miyazaki jetzt im Clavier-Salon aufs Programm gesetzt hatte: Carl Philipp Emanuel Bach, Joseph Haydn und Muzio Clementi.
Sie spielte diese Werke auf dem Nachbau eines Hammerflügels von 1795. Zur Zeit der Komposition muss die Musik tatsächlich so durchsichtig und schlank geklungen haben, wie es jetzt zu erleben war. Der moderne Konzertflügel produziert viel massivere, dumpfere Klänge.
Nicht allein am Instrument lag es, dass dieser Abend so ausgesprochen anregend verlief. Die Solistin legt viel Gewicht auf spannende Gestaltung der Phrasen. Sie lässt die Musik sprechen, gibt den Linien Raum zum Atmen, kostet den Reiz von überraschenden Akzenten aus, indem sie sich – angemessen stilsicher – Freiheiten in der Tempogestaltung nimmt.
Das macht ihren Vortrag ungemein lebendig, wie sie gleich an Carl Philipp Emanuel Bachs A-Dur-Sonate überzeugend vorführte. Clementis F-Dur-Capriccio besaß spritzigen Witz, Haydns C-Dur-Sonate tiefen Ausdruck. Vollends die beiden schönen Clementi-Sonaten – die in B-Dur mit dem Thema aus Mozarts „Zauberflöten“-Ouvertüre (die aber zehn Jahre später entstand) und die in g-Moll mit ihrem beethovenschen Gestus – machten das Zuhören zu einem kultivierten Vergnügen. Viel Applaus vom kleinen, aber begeisterten Publikum.
Michael Schäfer
Göttinger Tageblatt Juli 2013
Zwillingsschwestern am Klavier:
Die Pianistinnen Lok Ping und Lok Ting Chau
Göttinger Tageblatt Juli 2013
Wechselbad der Gefühle
Göttinger Tageblatt September 2013
Zuckende Flammen
Fünf junge Geigerinnen von der Musikhochschule Hannover setzen auf anspruchsvolle Solowerke
Tasteninstrumente stehen im Zentrum des Göttinger Clavier-Salons. Am Sonnabend mussten sie einen ganzen Abend lang schweigen: Musik für Violine solo war angekündigt. Dazu hatte Salon-Betreiber Gerrit Zitterbart fünf junge Geigerinnen eingeladen, die an der Musikhochschule Hannover bei Elisabeth Kufferath studieren. Die jüngste von ihnen ist Friederike Schindler, die gerade ihr Studium aufgenommen hat. Die ältesten, Selma Brauns und Henriette Otto (Jahrgang 1990), haben ihre erste intensive Ausbildung in Weimar erhalten, bevor sie nach Hannover wechselten. Mit Jahrgang 1993 liegen Charlotte Klinke und die aus Russland stammende Elena Ilinskaya altersmäßig dazwischen.
Das Programm des Abends umfasste ausgesprochen anspruchsvolle Solowerke: die drei Partiten von Johann Sebastian Bach, dazu zwei Solosonaten des romantischen belgischen Komponisten Eugène Ysaÿe. Friederike Schindler hatte in den raschen Ecksätzen der E-Dur-Partita bisweilen kleine Intonationsprobleme. Doch ist sie sehr wohl in der Lage zu lupenrein sauberen Tönen, wenn sie etwas mehr Zeit hat, wie sie in den langsameren Stücken eindrucksvoll zeigte. Auf ihre weitere Entwicklung kann man gespannt sein. Mit Ysaÿes zweiter Sonate – die mit ihrem Bach-Zitat auf die just gehörte Partita verwies – stellte sich Selma Brauns vor. Sie glänzte mit leidenschaftlichem, großem Ton, mit einer bewegenden Ausdrucksintensität und beachtlichen virtuosen Fähigkeiten. Die „Dies irae“-Variationen, die Ysaÿe hier ausbreitet, ließen unter ihren Händen fahle, zuckende Flammen leuchten.
Große Spannungsbögen gestaltete Charlotte Klinke in Bachs h-Moll-Partita, nahm den Presto-Satz halsbrecherisch schnell, ohne aus der Kurve zu fliegen, und ließ sich auch von dem laut rauschenden Regenschauer, der auf das Oberlicht des Saales prasselte, nicht irritieren. Mit Ysaÿes dritter Sonate („Ballade“) bot Elena Ilinskaya eine erstaunliche Leistung: hochvirtuos, blitzsauber und mit mitreißendem Temperament. Die entspannte, souveräne Ruhe, mit der Henriette Otto zum guten Schluss Bachs d-Moll-Partita gestaltete, war der perfekte Ausgleich für den vorangegangenen Nervenkitzel. Das gute Dutzend Zuhörer feierte die Solistinnen mit lang anhaltendem Applaus.
Das Programm des Abends umfasste ausgesprochen anspruchsvolle Solowerke: die drei Partiten von Johann Sebastian Bach, dazu zwei Solosonaten des romantischen belgischen Komponisten Eugène Ysaÿe. Friederike Schindler hatte in den raschen Ecksätzen der E-Dur-Partita bisweilen kleine Intonationsprobleme. Doch ist sie sehr wohl in der Lage zu lupenrein sauberen Tönen, wenn sie etwas mehr Zeit hat, wie sie in den langsameren Stücken eindrucksvoll zeigte. Auf ihre weitere Entwicklung kann man gespannt sein. Mit Ysaÿes zweiter Sonate – die mit ihrem Bach-Zitat auf die just gehörte Partita verwies – stellte sich Selma Brauns vor. Sie glänzte mit leidenschaftlichem, großem Ton, mit einer bewegenden Ausdrucksintensität und beachtlichen virtuosen Fähigkeiten. Die „Dies irae“-Variationen, die Ysaÿe hier ausbreitet, ließen unter ihren Händen fahle, zuckende Flammen leuchten.
Große Spannungsbögen gestaltete Charlotte Klinke in Bachs h-Moll-Partita, nahm den Presto-Satz halsbrecherisch schnell, ohne aus der Kurve zu fliegen, und ließ sich auch von dem laut rauschenden Regenschauer, der auf das Oberlicht des Saales prasselte, nicht irritieren. Mit Ysaÿes dritter Sonate („Ballade“) bot Elena Ilinskaya eine erstaunliche Leistung: hochvirtuos, blitzsauber und mit mitreißendem Temperament. Die entspannte, souveräne Ruhe, mit der Henriette Otto zum guten Schluss Bachs d-Moll-Partita gestaltete, war der perfekte Ausgleich für den vorangegangenen Nervenkitzel. Das gute Dutzend Zuhörer feierte die Solistinnen mit lang anhaltendem Applaus.
Michael Schäfer